Wie weiter in Sachsen?
Welche Ideen die im Landtag vertretenen Parteien für die anstehenden Herausforderungen bei den Freien Berufe haben, darüber sprachen die Mitglieder des LFB
Sachsen Ende April mit Rico Gebhardt (Die Linke), Gerhardt Liebscher (Bündnis 90/Die Grünen), Simone Lang (SPD), Christian Hartmann (CDU) sowie Andreas Wendt
(AFD). Moderiert wurde das Podium von RA Cornelia Süß, Präsidentin des LFB Sachsen e.V..
Für Christian Hartmann sei die Antwort auf Fachkräftemangel und sinkende Wirtschaftsleistung der Ausbau der Infrastruktur, Netzausbau und Digitalisierung sowie
Zuwanderung von Fachkräften und weniger Teilzeittätigkeit. Für eine bessere Bildung brauche es mehr Entlastung für Lehrer durch Sozialarbeiter und neue
Lernmodelle, so Hartmann. Aber auch der Erziehungsauftrag der Eltern muss wieder ins Bewusstsein gerufen werden, weil manche Erziehungsberechtigten glauben,
dass dafür die Schule zuständig sei.
Diesen Ansätzen stimmte Simone Lang im Wesentlichen zu, ergänzte jedoch die Punkte um flexible Arbeitszeitmodelle, eine bessere technische Ausstattung der
Schulen sowie Entlastungshilfen, da Lehrer heutzutage auch noch Psychologen, Erziehungshelfer und Konfliktberater seien.
Für Rico Gebhardt sind diese Vorschläge zwar nachvollziehbar und wichtig, aber gerade die Zuwanderung dauert ihm zu lang. Hier müsse es schnellere
Anerkennungsprozesse geben, die bereits bei den Arbeitsvisa in den deutschen Botschaften beginnen würde. Denn schon dort sind die bürokratischen Hürden und
Wartezeiten extrem lang. Und hier im Land selbst brauche es eine echte Willkommenskultur.
Gerhardt Liebscher würde gern die Quote der Schulabbrecher senken, um mehr junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Hier müsse die Unterstützung bereits
bei bildungsfernen Eltern beginnen, um dieses Ziel zu erreichen. Und er plädiert für die Ganztagsschule sowie gemeinsame Klassen bis zur Stufe 10. Damit
könnten in einem langjährigen Klassenverband feste Beziehungen aufgebaut und eine langfristige Unterstützung von lernschwachen durch lernstarke Schüler erzielt
werden.
Andreas Wendt will zuerst die Potenziale im Inland heben, bevor eine punktuelle Zuwanderung erfolgen sollte. Zu den Potenzialen zählt er die deutschen
Schulabbrecher, Menschen ohne Ausbildung sowie abgewanderte Deutsche im Ausland. Außerdem sollte das Bürgergeld abgeschafft werden, weil dann der Anreiz, sich
keine Arbeit zu suchen, vorbei wäre. Die Diskussion um eine Vier-Tage-Woche kann er mit Blick auf den Personalmangel in vielen Bereichen ebenfalls nicht
nachvollziehen. Diese Diskussion geht für Wendt in die falsche Richtung. Alle anderen Punkte wie Ausbau der Infrastruktur, Digitalisierung und mehr Geld für
Kommunen sieht er genauso wie die anderen Gesprächspartner.
Bei den Maßnahmen für die Wirtschaft gingen die Meinungen dann etwas weiter auseinander. Während Hartmann die soziale Markwirtschaft mit Leuchtturmprojekten
der vergangenen Jahre verteidigte, wäre Gebhardt eher für eine Volkswirtschaft, in der der Freistaat mit Investitionen für Infrastruktur und Netzausbau in
Vorleistung geht, um die Lebensverhältnisse insbesondere für die ländlichen Regionen zu verbessern. Diesen Ansatz unterstütze Liebscher dahingehend, dass zum
Beispiel Subventionen für fossile Brennstoffe abgeschafft, aber es gleichzeitig eine Bürgerbeteiligung bei Solarenergie geben sollte. Dem entgegnete Wendt mit
der klaren Ansage, kein Geld für Klimaschutzprojekte auszugeben. Das eingesparte Geld könne man viel besser einsetzen. Diese Äußerung erzeugte regen
Widerspruch bei den Zuhörern und nötigte den Präsidenten der Architektenkammer dazu, sich für Ausgaben im Klimaschutz zu positionieren, denn, wenn man heute am
Klimaschutz spart, würden die nächsten Generationen den Preis dafür bezahlen.
Der Bürokratieabbau ist für alle Fraktionen im Landtag ein wichtiges Anliegen. Dies wurde bei dem Treffen ebenfalls sehr deutlich. Hartmann spielte zunächst
den Ball vom Landtag zu den Ministerien, die unzählige komplizierte Verordnungen erschaffen hätten, welche vom Gesetzgeber so nicht gewollt waren. Außerdem
würde er das Personal im Öffentlichen Dienst gern abbauen und die Verwaltungsarbeit durch Digitalisierung vereinfachen. Für Liebscher wäre es schon ein
wichtiger Schritt, wenn wenigstens die Spielräume in den Gesetzen und Verordnungen stärker genutzt würden, um Antragsverfahren zu beschleunigen und Bürger zu
entlasten. Dem steht nach Ansicht von Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, der Mangel an Eigenverantwortung, selbständigem Denken und
fehlender Subsidiarität entgegen. Thomas Breyer, Präsident der Landeszahnärztekammer Sachsen, ging noch ein Schritt weiter. Er ist der Meinung, dass die
Behördenmitarbeiter seit der Wende immer seltener zu eigenständigen Entscheidungen motiviert wurden und es daher keine Kultur der Selbstständigkeit und
Eigenverantwortlichkeit in der öffentlichen Verwaltung mehr gäbe. Außerdem hätten gerade die Parlamentarier zu dem Gesetzeswust wesentlich beigetragen, der
viele heutige Probleme verursacht.
Fazit ist, dass alle Landtagsparteien sich bei den wichtigsten anstehenden Herausforderungen einig sind: Wirtschaft, Digitalisierung, Fachkräftemangel und
Bürokratie. Und auch in den Problemlösungsstrategien gibt es, bis auf wenige Details, große Übereinstimmungen. Spannend wird es, wenn es nach den
Landtagswahlen darum gehen wird, Strategien in Lösungen zu verwandeln. Letztlich braucht es dafür Risikobereitschaft und Innovation genauso wie Erfahrung und
Verlässlichkeit. Ein „weiter so“ ist keine Strategie.
Knut Köhler M.A.